Wir sind (eine) Klasse

Wir sind (eine) Klasse – wie du das Miteinander nachhaltig stärkst

 

Du kennst es wahrscheinlich auch:
Manchmal ist es nicht der Unterrichtsinhalt, der uns herausfordert – sondern das Miteinander.
Streit, Missverständnisse, Grüppchenbildung … und dazwischen du – die alles irgendwie zusammenhalten soll.

Manche Tage fühlen sich mehr nach Konfliktmoderation als nach Unterricht an.
Und gleichzeitig wünschst du dir: eine Klasse, die einander zuhört, sich unterstützt – und als Gemeinschaft zusammenwächst.

Was wäre, wenn genau das möglich ist?
Nicht durch ständige Intervention – sondern durch gezielte, patschifige Beziehungsarbeit im Alltag.

 

Warum Beziehungsarbeit nicht bei dir aufhören sollte

Ich wurde einmal im Rahmen eines Interviews zum Thema Classroom Management gefragt, wie ich mit schwierigen Situationen umgehe.
Die Rückmeldung danach war:

„Beziehungsarbeit wurde oft genannt – aber du warst die Erste, die auch die Beziehungen zwischen den Kindern thematisiert hat.“

Und das hat mir wieder gezeigt:
Wir reden viel zu oft nur über unsere Beziehung zu den Kindern.

Aber Kinder verbringen jeden Tag viele Stunden miteinander:

  • in Gruppenarbeiten

  • auf dem Pausenplatz

  • beim Spielen

  • beim Lernen

  • beim Streiten

Wenn wir wollen, dass der Unterricht funktioniert, reicht es nicht, nur an unserer Lehrkraft-Kinder-Beziehung zu feilen.
Wir müssen auch bewusst die sozialen Beziehungen unter den Kindern stärken.

Denn: Eine starke Klassengemeinschaft ist kein Zufall – sie ist Ergebnis deiner Haltung.

 

Was gute Beziehungen unter Kindern bewirken

Wenn Kinder sich zugehörig fühlen, macht das einen riesigen Unterschied.
Und zwar nicht nur für das Klassenklima – sondern für alles:

  • Sie kommen lieber zur Schule

  • Sie helfen einander

  • Sie zeigen mehr Geduld, wenn es mal klemmt

  • Sie trauen sich, Fehler zu machen

  • Sie lernen mit mehr Motivation – und weniger Druck

👉 Sozial starke Klassen lernen leichter.
Und sie belasten dich weniger im Alltag.

 

3 typische Missverständnisse – und was du stattdessen tun kannst

 

❌ „Das Miteinander regelt sich schon mit der Zeit.“
➡️ Nicht ganz: Kinder brauchen Anleitung, Vorbilder und Gesprächsanlässe – auch für ihr Sozialverhalten.

❌ „Ich habe keine Zeit für sowas – der Stoff drückt.“
➡️ Gerade dann lohnt es sich. Kinder mit guter Beziehungsbasis arbeiten konzentrierter, lösen mehr selbst und brauchen dich weniger als Feuerwehr.

❌ „Ich rede mit ihnen, wenn es Streit gibt.“
➡️ Warte nicht auf den Konflikt. Viel wirksamer ist es, Beziehungspflege in den Alltag einzubauen – konstant, bewusst, präventiv.

 

So bringst du soziales Lernen natürlich in den Unterricht

Ich spreche mit meinen Klassen bewusst über unser Miteinander.
Nicht nur, wenn’s knallt – sondern auch zwischendurch.
Hier ein paar Themen, die immer wieder wichtig sind:

  • Wie höre ich anderen wirklich zu?

  • Was kann ich tun, wenn jemand traurig ist?

  • Wie geben wir Feedback, ohne zu verletzen?

  • Was tun bei respektlosem Verhalten?

  • Wie gehen wir mit Unterschieden um (z. B. bei Sprache, ADHS, Lernniveaus)?

Wir besprechen diese Fragen im Kreis, in Mini-Sequenzen oder spontan zwischendurch.
Oft braucht es keine Stunde – nur einen Moment, der ehrlich ist.

 

Der Klassenrat – echtes Zuhören auf Augenhöhe

Ein fester Bestandteil ist bei mir der Klassenrat.
Einmal pro Woche. Ein Stuhlkreis. Kein Arbeitsblatt. Aber ganz viel Wirkung.

Die Kinder bringen ein, was sie beschäftigt:

  • Konflikte

  • Wünsche

  • Ideen für gemeinsame Aktionen

  • Dinge, die sie stolz gemacht haben

So entsteht:

  • Selbstverantwortung

  • Empathie

  • Lösungsdenken

Wichtig:
Wir sprechen nicht nur über das, was gut läuft oder nicht läuft – sondern auch über das, was besser geworden ist.
„Was hat besser geklappt?“ ist bei uns genauso wichtig wie „Was könnten wir noch verbessern?“

 

Geschichten & Bilderbücher – weil sie Herzen öffnen

Besonders in Zyklus 1 liebe ich den Einsatz von Bilderbüchern.
Sie sind meine liebsten Türöffner für Gespräche über:

  • Wut

  • Streit

  • Anderssein

  • Freundschaft

  • Gerechtigkeit

Denn: Geschichten holen Kinder da ab, wo sie sind.
Und plötzlich höre ich Sätze wie:

„Das geht mir auch so.“
„Ich hätte das auch gern mal jemandem gesagt.“

So entstehen echte Gespräche – auch mit Erstklässlern.
Und ein schwieriges Thema wird plötzlich leicht und patschifig ansprechbar.

 

Beispiel aus der Praxis: „Ich mag dich – aber du nervst!“

Ein Kind war oft provozierend. Ein anderes explodierte bei jedem Kommentar.
Ich merkte: Das wird ein Dauerthema – oder ich mache es jetzt zu einem echten Lernthema.

Ich erzählte ihnen eine Geschichte von zwei Tieren, die unterschiedlich sind – aber ein gemeinsames Ziel haben.
Dann: kurzer Dialog im Kreis, ein Blitzlicht:
„Was wünsche ich mir von meinem Nachbarn?“

Zwei Wochen später saßen die beiden gemeinsam beim Puzzle.
Nicht, weil sie beste Freunde wurden – sondern weil sie sich verstanden und akzeptiert fühlten - und es einfach OK war.

So funktioniert soziales Lernen: situativ, aber bewusst gestaltet.

 

Mini-FAQ – vielleicht hast du dir das auch schon gefragt?

 

„Ich habe keine Zeit für so viel Beziehungskram – was geht trotzdem?“
→ Starte mit 5 Minuten pro Woche: Blitzlicht im Kreiseine gute Frage oder ein „Wie geht’s uns gerade?“

„Was, wenn Kinder nicht ehrlich sprechen?“
→ Nutze Symbole, Karten oder Bilder als Einstieg. Oder anonymes Kummerkästchen.

„Wie verbinde ich Beziehungsarbeit mit Fachinhalten?“
→ Perfekt mit offenen Aufgaben, Gruppenarbeiten oder Reflexionsfragen am Ende einer Lektion.

 

Dein nächster Schritt: Differenzieren mit Herz UND System

Wenn du Beziehungsarbeit ernst nimmst, wirst du schnell merken:
Unterschiede in der Klasse sind überall.
In Sozialverhalten, im Tempo, im Lernstand.

Und genau deshalb macht es Sinn, auch deinen Unterricht von Anfang an differenziert und patschifig zu gestalten.

In meinem kostenlosen Einstiegsguide „How to Differenzierung“ zeige ich dir:

  • 3 einfache Wege, wie du in jeder Lektion Unterschiede berücksichtigst

  • Beispiele für soziale und fachliche Differenzierung

  • warum Differenzieren nicht perfekt sein muss – aber spürbar

 

Zum Schluss

Du musst keine Superlehrperson sein, um eine starke Klassengemeinschaft aufzubauen.
Du musst nicht alles im Griff haben.
Aber du darfst das Miteinander gestalten – bewusst, liebevoll und in kleinen Schritten.

Denn: Klassenklima entsteht nicht zufällig.
Es entsteht, weil du Raum gibst. Weil du Fragen stellst. Weil du Beziehung nicht nur denkst, sondern lebst.

Nimms patschifig

Flavia

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