
Wie man eine zweite Sprache lernt
In fast jeder Klasse sitzen Kinder, die zu Hause eine andere Sprache sprechen als Deutsch.
Manche verstehen schon viel, andere kaum ein Wort. Einige erzählen begeistert – aber mit Satzchaos. Andere schreiben sicher, aber mit vielen Fehlern.
Du merkst schnell: Zweitspracherwerb ist ein individueller Prozess. Und gleichzeitig eine riesige Chance – für Perspektivenvielfalt, kulturelle Stärke und soziales Lernen.
In diesem Artikel erfährst du:
wie Kinder eine zweite Sprache wirklich lernen (und was sie dabei brauchen),
welche Stolpersteine dazugehören – und warum sie sogar hilfreich sind,
wie du Kinder in DaZ oder im Klassenverband gezielt unterstützen kannst – auch ohne Sprachspezialistin zu sein.
Warum Zweitspracherwerb nicht wie Vokabelpauken funktioniert
Viele fragen sich:
„Warum braucht dieses Kind so lange?“
„Wieso macht es immer noch dieselben Fehler?“
Ganz einfach: Weil Sprache nicht linear gelernt wird.
Kinder lernen Sprache über:
Hören, Nachahmen, Wiederholen
Rituale, Alltag, echte Gespräche
Beziehung, Vertrauen, Motivation
Nicht über Grammatikregeln. Nicht über Vokabeltests.
Sprache ist wie ein Muskel – sie wird durch Gebrauch gestärkt. Und das braucht Zeit, Wiederholung, Emotion.
Alltagssprache vs. Bildungssprache
Viele Kinder können wunderbar spielen, sprechen, lachen – aber im Unterricht blockiert sie ein Wort wie beschreiben, benennen, vergleichen.
Warum? Weil sie zwar die Alltagssprache beherrschen, aber noch nicht die Bildungssprache.
Hier kommst du ins Spiel:
Nutze bewusst beide Sprachregister: „Wie klingt das im Alltag? Und wie in der Schule?“
Wiederhole Fachbegriffe regelmässig – gern mit Beispielen, Bildern oder Bewegung
Lass die Kinder Begriffe in eigenen Worten erklären (z. B. in Partnerarbeit)
Verwende visuelle Stützen für wichtige Begriffe (Symbole, Icons, Gesten)
Tipp: Der Lehrplan 21 bietet unter dem Stichwort Sprachbewusstheit viele Anknüpfungspunkte – auch für Kinder mit DaZ.
Interimssprache = Fehler sind Fortschritt
Typische Fehler wie:
„Ich habe gegangt.“
„Sie hat mir das geschreien.“
„Ich war dort gegessen.“
klingen vielleicht schief, sind aber ein gutes Zeichen. Warum?
Weil sie zeigen: Das Kind baut aktiv Sprachregeln auf. Es bildet Strukturen, überträgt Muster – und testet.
Diese sogenannte Interimssprache ist ein notwendiger Zwischenschritt im Spracherwerb.
So kannst du damit umgehen:
Fehler nicht sofort korrigieren – warte, bis Strukturen stabil sind
Gute Sprachvorbilder schaffen – durch dich und andere Kinder
Satzmuster üben: „Ich habe gemacht…“ – alle sagen es mit
Wortspiele oder Satz-Rituale nutzen: jeden Tag 1 Satz starten oder beenden
Aktiver vs. passiver Wortschatz
Aktiv = Das Kind verwendet das Wort selbst
Passiv = Das Kind versteht es, aber sagt es nicht von sich aus
Das Ziel ist klar: mehr aktive Sprache.
Was hilft:
Begriffe in vielen Kontexten zeigen (z. B. Wort + Bild + Handlung)
Wortspeicher für Schreibanlässe anbieten
Sätze bilden lassen: „Finde 3 Sätze mit dem Wort ...“
Wörter-Gymnastik: klatschen, zeigen, sagen, schreiben
Satzstarter sind besonders effektiv:
"Heute habe ich...", "Ich finde es...", "Am liebsten würde ich..."
Was Kinder beim Zweitspracherwerb brauchen – auf einen Blick
Bedürfnis | Konkrete Umsetzung |
---|---|
Klarheit | Visualisieren, vereinfachen, wiederholen |
Sprachvorbilder | Lehrperson + sprachlich sichere Kinder |
Sprechgelegenheiten | Partnerarbeit, Rituale, Projekte |
Individuelle Förderung | Differenzierte Aufgaben, Satzmuster, DaZ-Material |
Sicherheit & Motivation | Lob, Beziehung, patschifige Atmosphäre |
FAQ: Deine Fragen, meine Antworten
Was, wenn ein Kind nur in der Muttersprache spricht?
Zeige Sprache mit Bildern, Gesten, Satzmustern. Hole die Eltern ins Boot – aber ohne Druck. Nutze Übersetzungsapps.
Wie viel Grammatik soll ich erklären?
Nur so viel wie nötig. Sprache entsteht im Tun, nicht im Erklären.
Wie kann ich DaZ und Differenzierung verbinden?
Mit offenen Aufgaben, Wortspeichern, Satzstartern, Wahlaufgaben. Was für DaZ wirkt, hilft oft der ganzen Klasse.
5 Praxistipps für deinen Alltag
Wortspeicher zum aktuellen Thema – mit Symbolen oder Bildern
Partnerarbeit mit Rollen – z. B. Fragensteller:in & Antwortgeber:in
Sprachpaten einsetzen – ein Kind hilft einem anderen
Mini-Projekte mit Struktur – z. B. "Meine Lieblingsgeschichte" als Plakat oder Audio
Rituale zum Sprachstart – z. B. Satz des Tages, Morgenritual
Fazit: Sprache ist der Schlüssel – und du gibst ihn weiter
Zweitspracherwerb braucht keine Perfektion.
Er braucht Struktur, Beziehung und Wiederholung.
Du musst keine Sprachlehrerin sein.
Aber du kannst ein echtes Sprach-Vorbild sein – mit Herz, Haltung und einem offenen Ohr.
Nimms patschifig – und begleite die Kinder auf ihrer Sprachreise mit Gelassenheit, Struktur und Vertrauen.
Welche Methoden helfen dir im Alltag besonders? Kommentiere gerne oder schreib mir auf Instagram @miss_patschifig.
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